Nummer 79
Praxisstudien

Charmant. Gefährlich. Unwiderstehlich.

Miro Keller ist ein gefeierter Autor – und ein Mann mit einer ganz eigenen Auffassung von Recherche. Seine Praxisstudien treiben nicht nur den Puls seiner Leser:innen in die Höhe, sondern bringen auch Valerie an ihre emotionalen Grenzen.

Was mit einem Blumenstrauß beginnt, endet in einer skurrilen Mischung aus Liebesfalle, Thriller und Rachefeldzug. Und während Miro weiter an seinem nächsten Buch schreibt, muss Valerie sich fragen: Ist sie die Hauptfigur – oder das nächste Opfer?

Eine Kurzgeschichten-Trilogie für Fans von schwarzem Humor, ungewöhnlichen Liebesgeschichten und scharfsinniger Gesellschaftssatire.

 

Veröffentlichungsdatum: 15. Mai 2025

E-Book 

Leseprobe

Nummer 79 - Praxisstudien

Status erfolgreich

Wahnsinn! Was für ein Traum, atemberaubend – und so realistisch. Mühsam halte ich die Augen geschlossen und versuche, ihn wieder herbeizurufen.

Plötzlich stand der Typ in meinem Büro. Einen ganzen Kopf größer als ich, breitschultrig und mit verstrubbelten dunklen Haaren, etwa Mitte dreißig. Suchend schaute er sich um und wirkte dabei leicht zerstreut. Unsere Blicke trafen sich, und ein charmantes Lächeln erschien auf seinem Gesicht; einem markanten Gesicht, das man so schnell nicht vergisst.

Wegen des schnittigen Anzugs nahm ich an, er habe einen Termin bei meinem Chef. Warum er ihm einen großen Blumenstrauß mitbrachte, war mir allerdings ein Rätsel.

»Haben Sie sich verlaufen?«, fragte ich pflichtbewusst und hoffte insgeheim auf das Gegenteil. »Ich zeige Ihnen gern den Weg zu …«

»Nein, nein! Ich habe mich nicht verlaufen. Ich bin hier genau richtig. Bei Ihnen.« Er zwinkerte mir zu und sorgte damit für einen kleinen Hüpfer meines Herzens. Mit Sicherheit wandelte sich meine Gesichtsfarbe sofort von dem üblichen Blass in ein leichtes Rot. Zumindest fühlte es sich so an.

Der Typ kam einen Schritt näher und streckte mir den bunten Strauß entgegen. »Ich habe Sie gesehen. Heute Morgen, bevor Sie das Gebäude betreten haben. Ich war sofort … Was soll ich sagen? Den ganzen Vormittag sind Sie mir nicht aus dem Kopf gegangen. Also versuche ich jetzt mein Glück.« Mit der Hand fuhr er sich durch die Haare. Es sah aus wie eine routinemäßige Bewegung, daher also die verstrubbelte Frisur. Dann holte er tief Luft. »Gehen Sie bitte mit mir essen!«

Überrumpelt starrte ich zu ihm hoch. So etwas war mir ja noch nie passiert. Das heißt, natürlich gab es bereits verschiedene Essenseinladungen. Aber dass ein wildfremder Mann in meinem Büro auftauchte, nur weil er mich einmal gesehen hatte, das war definitiv neu.

»Wir kennen uns doch gar nicht«, teilte ich ihm auch unnötigerweise mit und ärgerte mich augenblicklich darüber. Typisch! Sobald ein gutaussehender Kerl vor mir steht und Interesse zeigt, setzt mein Verstand aus.

»Das möchte ich gern ändern. Das muss ich ändern!« Er legte den Kopf leicht schief und sah mir direkt in die Augen. »Bitte.«
Was war das? Eine plumpe Anmache und dennoch fast perfekt. Ich fühlte mich sehr geschmeichelt und sagte einfach ja.

Es war dann auch echt nett. Wir saßen auf der gegenüberliegenden Straßenseite in einem kleinen Restaurant. Miro, so sein Name, verhielt sich so aufmerksam mir gegenüber wie schon lang kein Mann mehr. Er hing mir regelrecht an den Lippen und stellte genau die richtigen Fragen. Er hörte tatsächlich zu und tat nicht nur so. Zudem fiel ihm zu fast allem, was ich erzählte, eine lustige Anekdote ein. Er brachte mich ständig zum Lachen, und die Zeit verging wie im Flug.

Als er dann abschließend fragte, ob ich später noch einmal mit ihm ausginge, erfasste mich eine kribbelnde Vorfreude, und ich stimmte erneut zu.

Bis abends brauchte ich allerdings nicht zu warten. Bereits nach Dienstschluss passte Miro mich vor dem Bürogebäude ab. Seinen Anzug hatte er gegen schicke Jeans und Shirt getauscht. Auch dieses Outfit stand ihm ausgesprochen gut, wie ich anerkennend feststellte.

»Ich habe eine Überraschung für dich, Valerie«, verkündete er mit seiner tiefen Stimme und lächelte verschwörerisch. »Da man nicht zu fremden Männern ins Auto steigt, das weiß selbst ich, fahren wir mit der Straßenbahn. Komm! Das passt auch besser zur Stimmung.«

Wow! Die Grübeleien vom Nachmittag, wie ich mich verhalten soll, wenn er mich abholt, waren damit hinfällig. Beinah kam es mir vor, als habe Miro meine Gedanken gelesen.

Weit fuhren wir nicht, nur bis zum Stadion. Die angekündigte Überraschung entpuppte sich als eine Einladung zum Eishockeyspiel, von dem ich ihm mittags erzählt hatte. Wohlgemerkt ein seit Wochen ausverkauftes Spiel. Wie hatte er nur so schnell Karten organisieren können?

Ich musste es zugeben, er beeindruckte mich. Miro hörte nicht nur zu, er war auch ein Mann der Tat.

Zwar verlor unsere Mannschaft, aber spätestens beim anschließenden Spaziergang über die Promenade war das schon wieder vergessen. Irgendwie seltsam, es kam mir vor, als würden wir uns ewig und nicht erst seit mittags kennen. Wir passten perfekt zusammen.

Dann passierte, was passieren musste. Nachdem Miro mich bis zur Haustür gebracht hatte, fragte ich ihn, ob er noch auf einen Kaffee mit hochkommen wolle. Definitiv die beste Frage meines Lebens.

Die Nacht war umwerfend. Dieser Mann wusste wirklich, was Frauen wollen.

 

Sehnsuchtsvoll seufze ich auf. Bitte lass diesen Traum niemals enden. Beinah glaube ich, Miro tatsächlich um mich zu spüren; selbst sein unwiderstehlicher Duft scheint in der Luft zu hängen. Unwillkürlich atme ich tief durch und schnuppere – und reiße im nächsten Moment erschrocken die Augen auf. Etwas bewegt sich an meiner Hüfte.

»Guten Morgen, Valerie«, flüstert mir jemand leise ins Ohr.

Ein angenehmer Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Diese tiefe Stimme …

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.